Die Einschränkungen die Corona mit sich bringt, betreffen auch politisch aktive Menschen. Wo man sich früher im Beisl, Wohnung, Seminarraum oder Kulturzentrum getroffen hat, um gemeinsam zu planen, geht das mittlerweile kaum mehr. Welche Online-Werkzeuge eignen sich also für die Zusammenarbeit auf Distanz? Rainer Hackauf präsentiert seine Tipps.
Um die Frage zu beantworten, sollte in einem ersten Schritt geklärt werden: „Was will ich überhaupt machen?“ Je nach Zweck eignen sich unterschiedliche technische Lösungen. Dieser Beitrag stellt die wichtigsten Werkzeuge und Tipps zur Zusammenarbeit via Internet vor. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf Werkzeuge für Videokonferenzen und deren jeweilige Vor- und Nachteile gelegt. Danach folgen hilfreiche Hinweise, die nicht nur für den Testsieger Jitsi gelten, um die Organisierung auf Distanz in der Praxis zu unterstützen.
Auf Nummer sicher gehen: Jitsi
Jitsi ist eine verschlüsselte Videokonferenz-Software. Eine Konferenz kann durch einen Klick auf der Website erstellt und geteilt werden. Videokonferenzen werden durch eigene Moderationsfunktionen und Handgesten effektiver. Auch die Chatfunktion ist durchaus praktisch. Die Installation einer eigenen Software ist im Gegensatz zum Konkurrenten Zoom nicht nötig.
Besonderer Vorteil: Will ein_e Teilnehmer_in sich zu Wort melden, kann sie virtuell „die Hand heben“, also aufzeigen. Mit der Jitsi App (iOS/Android) funktionieren Videokonferenzen am Smartphone zudem einwandfrei. Nachteile: Wo viel Licht, da auch ein bisschen Schatten. Jitsi läuft in den letzten Tagen auf Grund der gestiegenen Nachfrage nicht immer ganz stabil. Konferenzen können mitunter abbrechen. Abhilfe schaffen hier alternative Jitsi-Server. Darüber hinaus funktioniert Jitsi im Internet Explorer nicht. Für manche mag das ein Ausschlussgrund sein.
Bauchweh angesagt: Zoom
Zoom funktioniert im Prinzip so wie Jitsi. Dabei hat der Anbieter den Vorteil, Dokumente oder den Desktop von User_innen sehr einfach einblenden zu können. Das ist von Vorteil, wenn es etwa darum geht, eine Präsentation oder eine gemeinsame Tagesordnung für alle sichtbar zu machen. Für fortgeschrittene Features muss man bei Zoom allerdings zahlen.
Besondere Vorteile: Mit Zoom bekommt man in der Regel eine recht stabile Verbindung, auch mit vielen Teilnehmer_innen. Nachteile: Wo viel Licht, da auch sehr viel Schatten. Nicht nur, dass das US-Unternehmen Zoom viele Fragen in Bezug auf Datenschutz wortwörtlich unbeantwortet lässt, in jüngster Vergangenheit sind außerdem massive Sicherheitslücken bekannt geworden.
Nicht sehr vertrauenerweckend und damit wohl ein No-Go für viele Aktivist_innen. Denn wer will schon mit Innenminister Nehammer ins Bett gehen? Um zu „zoomen“ muss man überdies ein kleines Programm installieren. Für Menschen ohne Administrationsrechte auf ihrem Computer ein Ausschlussgrund.
Weitere Alternativen: whereby, Talky.io, Skype, Mozilla Hubs, Google Hangouts
Der Underdog: Talk via Nextcloud
Die DSVGO-Novelle 2018 hat viele dazu gebracht, von Diensten wie Google Drive oder Dropbox Abstand zu nehmen und ihre Daten in einer Nextcloud zu hosten. Betreiber_innen einer Nextcloud können prinzipiell die App Talk installieren und so ihre Cloud Videochat-tauglich machen. Wie bei Jitsi ist eine Installation einer besonderen Software für die Teilnehmer_innen nicht notwendig. An dem Videochat teilnehmen können auch nicht-registrierte Gäste, sofern der Link zum virtuellen Gespräch für sie per einfachem Mausklick freigegeben wurde. Um eine Nextcloud zu nützen, muss man mittlerweile kein_e IT-Expert_in mehr sein oder allzu tief in die Taschen greifen, gibt es doch linke Anbieter wie disroot oder Systemli. Einfach registrieren und schon kann es mit Talk losgehen. Zudem lassen sich auch die übrigen Cloud-Dienste mit anderen Benutzer_innen teilen.
Besondere Vorteile: Alle (freigeschaltenen) Features und Kollaborations-Werkzeuge der Nextcloud lassen sich auch im Chat nutzen; in der Cloud abgelegte Dateien sehr einfach teilen. Nachteile: Das Plugin ist bisher leider auf vier Teilnehmer_innen beschränkt.
Start the: Riot
Riot ist mehr als nur ein Videochat, sondern eine Open Source Kommunikationsplattform, vergleichbar mit Slack. Für Gruppen ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich Riot als Kommunikationsplattform näher anzusehen – Videochats inklusive.
Spezielle Erwähnung: Signal
Der Messenger Signal hat in den letzten Monaten einen ordentlichen Entwicklungschub bekommen. Möglich gemacht hat das der WhatsApp-Gründer Brian Acton. Mit einem Teil des Verkaufserlöses von WhatsApp unterstützt dieser nun den sicheren Konkurrenten Signal. Statt zuvor zwei Mitarbeitern arbeitet im Signal-Team nun ein kleiner Stab an Entwickler_innen.
Wer auf seine Privatsphäre Wert legt und sicher chatten mag, kommt an Signal also nicht vorbei. Dies ist natürlich nicht nur zwischen zwei Personen, sondern auch in Gruppen mit mehreren Mitgliedern möglich. Auch verschlüsselte Anrufe werden unterstützt. Signal gibt es auch für den Desktop (PC/Mac/Linux) und kann so bequem vom eigenen Rechner aus verwendet werden.
Alternativen: Jabber, WhatsApp, Telegram
Tipps um die Verbindungsqualität zu erhöhen
Egal für welchen der Betreiber du dich entscheidest, teste die Software deiner Videokonferenz im Vorfeld. So kannst du deinen Teilnehmer_innen eventuell noch Tipps oder technische Anweisungen zukommen lassen. Wenn es viele Teilnehmer_innen gibt, bitte sie, darum ihr Mikrofon auf stumm (also „mute“) zu schalten, so sie selber nicht am Wort sind – dadurch werden störende Hintergrundgeräusche minimiert. Teilnehmer_innen, die zum ersten Mal an einer Videokonferenz teilnehmen, wissen das oft nicht.
Bei Jitsi kannst du das bei allen Teilnehmer_innen automatisch machen. Um die Verbindungssicherheit zu erhöhen, ist es außerdem ratsam, eine gute Internetverbindung zur Verfügung zu haben. Sowohl Jitsi als auch zoom bieten alternativ dazu an, sich via Telefonnummer in das Gespräch einzuwählen. Ist die Qualität trotzdem schlecht, kann es helfen, wenn die Teilnehmer_innen ihre Kameras abschalten.
Länge eines Treffens
Wie bei einem persönlichen Treffen lässt bei den Teilnehmer_innen irgendwann die Konzentration nach. Während das im echten Leben spätestens nach eineinhalb Stunden der Fall ist und dann eine Pause her muss, lässt die Konzentration online schon früher nach. Das bedeutet: Lieber öfter, dafür kürzer treffen. Länger als zwei Stunden ist online – auch mit Pause – kaum sinnvoll durchzuhalten.
Möglich ist es jedoch, auch virtuell für beteiligungsorientierte Methoden zu sorgen. Das Arbeiten in Kleingruppen kann auch hier zur gemeinsamen Meinungsbildung, Planung oder Entscheidungsfindung sinnvoll sein. Parallel genutzte virtuelle Konferenzräume machen es möglich.
Tipps für Moderator_innen
Jitsi hat, wie oben Beschrieben, einige schon eingebaute Handzeichen-Funktionen zum virtuellen „Aufzeigen“. Moderator_innen können jedoch auch die Chat-Funktion nutzen, um das Onlinetreffen flüssiger zu gestalten. So können im Chat etwa Tastaturkürzel für schnelle Meinungsbekundungen sorgen:
- Finde ich gut: +++
- Finde ich gar nicht gut: —
- Ich melde mich zu Wort: *
- Ich möchte dazu direkt anschließend etwas Inhaltliches ergänzen/sagen: d*
Weiteren Kürzeln sind natürlich keine Grenzen gesetzt. Auch die bewährten Handzeichen aus Bezugsgruppen können virtuell eingesetzt werden. Am Beginn einer Videokonferenz sollten die verwendeten Zeichen von der Moderation für alle kurz vorgestellt werden.
Schafft ein, zwei, viele: Pads
Um gemeinsam Notizen oder eine Tagesordnung zu teilen, kann es sinnvoll sein Pads zu benützen. Pads sind Online-Texteditoren, die schnell und einfach geteilt werden können. Besonders einfach ist das Riseup Pad. Hier muss man einfach nur auf den Link klicken, optional einen Namen eingeben und schon geht es los. Aber Achtung: Pads sind nicht dazu gedacht, Informationen langfristig zu archivieren. Riseup löscht Pads nach einer gewissen Zeit wieder.
Alternativen mit zusätzlichen Optionen: VideoEtherpad, Cryptopad, Framapad, Google Docs
Für Linke stellt sich aktuell die Frage, welche Räume sich in Zeiten von Corona für Bewegungen öffnen. Die Frage stellt sich nicht nur in einem politischen Sinn, sondern auch in Bezug darauf, welche neuen Werkzeuge es gibt, um zusammenzuarbeiten.
Rainer Hackauf ist im „Bureau für Selbstorganisierung“ aktiv. Für Diskussion mit dem Autor, Anregungen, Tipps und Tricks steht folgendes Pad für Anregungen, Kommentare und Verbesserungsvorschläge zu diesem Beitrag zur Verfügung.
Den ganzen Beitrag lesen: Zoom, Jitsi, Riot: Mit welchen Online-Tools ihr politisch aktiv bleiben könnt
Quelle: mosaik – Politik neu zusammensetzen