Die Singer-Songwriterin Alicia Edelweiss war im Sommer auf vielen Festivalbühnen präsent. Mit ihrer Musik und einprägsamen Texten, die zwischen persönlichen Erlebnissen und gesellschaftskritischen Reflexionen pendeln, scheint sie viele HörerInnen anzusprechen. Rainer Hackauf hat die Singer-Songwriterin für die Volksstimme getroffen und ihr ein paar Fragen zum Verhältnis von Politik und Musik gestellt.
Volksstimme: Vom Popfest bis zum Klimacamp, du bist gerade eine sehr gefragte Performerin auf sehr unterschiedlichen, auch aktivistischen Festivals. Siehst du dich als Musikerin oder auch ein wenig als Aktivistin?
Alicia Edelweiss: Ich sehe mich im Moment nicht als Aktivistin, nein. Ich war zwar früher Tierrechtsaktivistin und ein wenig bei der Clown-Armee dabei, aber das bin ich schon länger nicht mehr. Als ich mit dem Musikmachen begonnen habe, habe ich schnell begriffen, dass es ein genialer Kanal für mich ist, um Gedanken und Einstellungen auszudrücken. Viel besser als ich vorher dazu imstande war. Und ich bin wirklich davon überzeugt, dass Musik eine große Kraft hat, die Leuten helfen kann, bestimmte Dinge offener zu sehen. Dass ich auf diversen Festivals dieser Art spiele liegt wohl daran, dass ich nun schon ein paar Jahre in Wien bin, immer recht präsent war in der alternativen Szene. Und dass meine Texte und meine Art zu performen, doch sehr radikal sind, obwohl nicht immer offensichtlich politisch.
Volksstimme: »Unfriendly People«, »We’re all fucked up«, »Please Kill Me« heißen Lieder von dir. Klingt nicht so positiv? Hast du keine Hoffnung, dass die Welt verändert werden kann?
Alicia Edelweiss: Ich bin ja grundsätzlich ein sehr optimistischer Mensch, aber auch nicht immer. Diese Lieder hab ich eigentlich in einer der schönsten Zeiten meines Lebens geschrieben (Anm.: Lacht). Meine Lieder sind entweder Momentaufnahmen oder eine Art Zusammenkommen von immer wiederkehrenden Gedanken. Aber es stimmt schon, ich werde von negativen Erlebnissen oder Zuständen oft inspiriert. Es kommt dann vielleicht so rüber, als ob ich nur das Schlechte in der Welt sehe, aber so ist es ganz und gar nicht. Ich hab ja auch einige Songs, die die Zukunft recht schön malen. Jedenfalls bin ich schon der Meinung, dass die Welt verändert werden kann und werden muss. Ich glaube, ich hatte eine Zeit lang eine etwas naive Hippie-Mentalität, dass eh alles gut wird, wenn man meditiert und positiv denkt. Das hab ich mittlerweile aufgegeben. Positiv denken ist wichtig. Aktiv werden ist der nächste Schritt.
Volksstimme: Mindestens so einprägsam wie die Songs sind bei deinen Live-Auftritten die selbstironischen, manchmal tragikomischen Ansagen zwischendurch. Klar ist, Feminismus spielt eine wichtige Rolle für dich. Ist Humor eine Waffe?
Alicia Edelweiss: Ich sehe Humor eher als Instrument, Themen zugänglicher zu machen. Es ist einfach leichter, das Herz der Menschen zu öffnen, wenn sie dabei – wenn auch nur kurz – zum Lachen gebracht werden. Ich würde Humor also wenn als Waffe sehen, die dazu da ist, andere zu entwaffnen. Humor der Leute angreift, finde ich persönlich nicht so lustig.
Manche Leute glauben zwar, dass es nur Spaß ist, wenn ich davon singe, wie ich mein Menstruationsblut ins Smoothie gebe und trinke. Oder wenn ich mir vornehme, konsequent mehr zu masturbieren. Ich schätze im Endeffekt ist es fürs Publikum aber gar nicht so wichtig, ob sie wissen, dass es autobiografisch ist – oder auch nicht.
Volksstimme: Artwork und deine aufwändigen Booklets gestaltest du selbst. Wie wichtig ist dir der »Do-It-Yourself«-Gedanke?
Alicia Edelweiss: In den letzten Jahren war mir das in allen Bereichen meiner künstlerischen Tätigkeiten sehr wichtig. Ich hatte ja meist auch gar keine andere Wahl. Ich hab die CD Covers immer alle selber gemacht, etliche Einzelstücke gebastelt. Das Artwork und die Booklets werde ich für das neue Album auf jeden Fall wieder gestalten. Aber ich werde nicht mehr wie früher jedes Cover mit der Hand zusammenpicken. Mir gefällt es, wenn das Physische auch einen Wert hat. Also wenn meine Alben auch gerne angeschaut und angegriffen werden. Ich könnte es nicht übers Herz bringen, meine Musik in einer hässlichen Plastikverpackung zu verkaufen. Und meine Illustrationen als Ergänzung zur Musik sind mir sehr wichtig. Erstens machen sie unglaublich viel Spaß und zweitens geben sie den Lyrics eine andere Perspektive.
Auch beim Booking, bei Videodrehs usw. war ich immer sehr DIY unterwegs. Aber ich habe auch gelernt, dass es absolut okay und notwendig ist, bestimmte Aufgaben abzugeben.
Volksstimme: Als Straßenmusikerin bist du lange durch Portugal und Spanien getrampt. Wie hat dich das geprägt?
Alicia Edelweiss: Das Wichtigste, was ich dabei gelernt habe, ist, dass ich dem Leben vertrauen kann. Damit meine ich nicht, dass dir nur Gutes widerfahren kann, wenn du immer lächelst und offen bist. Aber besonders durch das viele Autostoppen, Straßenmusizieren und auf der Straße schlafen, habe ich gelernt, dass es gutgesinnte Menschen gibt. Und die werden dich finden oder du sie, wenn du sie wirklich brauchst. Nicht nur Menschen, auch simple Dinge wie Essen oder eine warme Jacke. Ich hab aber auch einige nicht so schöne Sachen erlebt. Und dadurch gelernt, was es bedeutet, entgegen der Intuition zu handeln und so in Scheiße zu geraten. Im Grunde genommen aber alles Dinge, die hoffentlich jede und jeder im Laufe des Lebens lernt. Für mich war das Reisen halt wie ein zweijähriger Kurs in Menschenkenntnis, Loslassen, Freiheit, ohne Geld leben, Männer effektiv abwehren, laut Singen, Essen im Müll finden – solche Sachen. Ich wäre auch nie zur Musik gekommen, wäre ich nicht losgetrampt. Und ich glaube, dieses Vertrauen ins Leben, das ich aus dieser Zeit mitgenommen habe, hat zur Folge, dass ich seitdem kompromisslos meinen künstlerischen Weg gehe. Und, dass ich niemals den so genannten sicheren Weg dafür in Betracht gezogen habe.
Alicia Edelweiss Musik ist via aliciaedelweiss.bandcamp.com online zu hören. Ihre nächsten Auftrittstermine sind am 6.10. beim »Brutal Beauty Fall Fest« im Atelier Schäffergasse in Wien, 28.10. im Kulturcafe Max in Wien und am 16.11. im Rahmen des Festivals »Autumn Leaves«.
Quelle: Volksstimme, 10/2018