In ihrem auf der diesjährigen Diagonale präsentierten Film »INLAND« porträtiert die Filmemacherin Ulli Gladik Menschen in Wien, die FPÖ wählen. Wird der Aufstieg der FPÖ sonst oft eher abstrakt diskutiert, versucht »INLAND« diesen an Hand dreier konkreter GesprächspartnerInnen nachzuvollziehen. Gladik begegnet diesen dabei auf Augenhöhe, hört viel zu, ohne aber auf Widerspruch zu verzichten. Damit gelingt es Gladik auf überraschende Weise, sehr viele Fragen aufzuwerfen und vielleicht auch die eine oder andere Antwort zu geben.
Ulli Gladik hat damit begonnen ihre ProtagonistInnen 2017, einige Wochen vor den Nationalratswahlen, mit der Kamera zu begleiten. Die porträtierten Personen stammen aus proletarischen Verhältnissen, haben bis in die 1980er und 1990er Jahre SPÖ oder gar KPÖ gewählt. So wie es in der Familien, im Umfeld, im Grätzl in Wien üblich war. Zwischenzeitlich wählen die meisten von ihnen FPÖ oder – seit der letzten Nationalratswahl – auch schon mal ÖVP.
Mehr noch als das tief verankerte Misstrauen gegenüber politischen Eliten eint die ProtagonistInnen der Hass auf »Ausländer«. So etwa Alexander, dem klar ist, dass die schwarzblaue Regierung im Sozialbereich massiv kürzen und er selber davon betroffen sein wird. Doch er hofft auf das Versprechen, dass es die Ausländer noch stärker treffen wird, als ihn selbst. Daraus macht er kein Geheimnis, das sagt er so. Andernorts wünscht sich der bei der MA48 arbeitende Christian, selbst als Kind von »Ziegelböhmen« diskriminiert, dass sein Favoriten wieder den Österreichern gehört. Die »Ausländer« würden ihm schließlich ihre Lebensart aufdrängen, alleine wenn sie in seiner Nähe in ihrer Muttersprache sprechen. Die Kellnerin Gitti aus dem auf der Ottakringer Straße beheimateten Espresso »Florida« wiederum setzt viel Hoffnung auf Sebastian Kurz auf Grund seines jugendlichen Auftretens. Sie setzt vor allem darauf, dass er den größten Missstand angeht und endlich dafür sorgt, dass die Mietpreise in Wien wieder auf ein erträgliches Maß sinken.
Vieles von dem mag irrational klingen. Ulli Gladik hinterfragt aus dem Kamera-Off Aussagen immer wieder, konfrontiert ihre ProtagonistInnen mit ihren eignen Erfahrungen oder aktuellen Kürzungsplänen der Regierung. Dies zeigt durchaus auch Wirkung. So etwa bei Christian, der sich offen für eine Klassenpolitik jenseits von Pass und Herkunft zeigt, jedoch an den Fähigkeit sozialdemokratischer Gewerkschaften zweifelt, diese im Interesse der eigenen Mitglieder auch durchzusetzen. Das Gefühl, von der SPÖ wie auch der Gewerkschaftsführung verraten worden zu sein, sitzt tief.
Im Publikumsgespräch auf der Diagonale erzählt Filmemacherin Gladik, dass speziell die Frustration über den Zustand der Gewerkschaften ein immer wiederkehrendes Themen bei den Dreharbeiten war. Rassismus, so Gladiks Beobachtung, würde hingegen als Ventil genützt, denn nur ungern würde über den eigenen Arbeitsplatz und dortige Arbeitsbedingungen gesprochen, oft aus Angst, den Job zu verlieren.
Wenngleich der Film mit großer Begeisterung auf der diesjährigen Diagonale aufgenommen wurde, haben einige Publikumsreaktionen den Spiegel umgedreht. In Statements geäußerte Irritationen aus dem Publikum bezogen sich etwa auf kulturelle Aspekte (Stichwort Thema »Rauchen«), die deutlich machen, wie weit linksliberale Milieus von den im Film abgebildeten Realitäten entfernt sind. Auch mit der geäußerten Kritik an Gewerkschaften konnte ein Teil des Publikums nicht viel anfangen. Fehlt doch vermutlich ein eigener Bezug zu diesen, folglich kann man selber gar nicht enttäuscht sein.
»Inland« ist ab Anfang Mai im Kino zu sehen.
Quelle: Volksstimme 4/2019