Heuer findet das popfest zum zehnten Mal statt. Vom 25. bis 28. Juli werden am Karlsplatz zahlreiche heimische Musikacts auftreten. Seit einigen Jahren wird das Festival von jährlich wechselnden KuratorInnen programmiert. Rainer Hackauf hat bei den diesjährigen Kuratorinnen Mira Lu Kovacs und Yasmin Hafedh nachgefragt.
Volksstimme: Heuer findet das popfest zum zehnten Mal statt. Was ist eurer Meinung nach die Aufgabe eines Popfests in Wien? Was kann das popfest nicht leisten?
Yasmin Hafedh: Ich glaube das popfest kann Pop vermitteln. Also in allen Facetten, nicht nur in denen, wo im Hintergrund Agenturen arbeiten und Hierarchien am Werk sind, sondern es kann einen viel offeneren Zugang bieten. Und da meine ich sowohl für‘s Publikum als auch für die Acts.
Mira Lu Kovacs: Ich denke das popfest hat die Chance einen realen Schnappschuss von der österreichischen Szene zu machen, und nicht eben nur das zu porträtieren, was sich ohnehin verkauft und Namen hat. Was das popfest nicht kann, ist eben in einer Richtung stecken bleiben, das immer selbe und dessen Varianten auf die Bühne stellen, da sich das Kurator*innenteam jährlich ändert und das bucht sicherlich immer aus unterschiedlichen Wahrnehmungen heraus.
Volksstimme: Den ersten bekannten Acts zu entnehmen, scheint euch Zusammensetzung und Repräsentation auf der Bühne wichtig zu sein. Pop um die Vielheit unserer Gesellschaft sichtbar zu machen? Oder was steckt dahinter?
Yasmin Hafedh: Mira hat den tollen Satz gesagt: »Wien, du Vielvölkerstadt, zeig her Deine Schätze!« DAS. Aber im Prinzip geht es darum tolle Acts auftreten zu lassen, und in erster Linie geht es um Musik.
Mira Lu Kovacs: Wir haben gebucht, was wir als das momentan Interessanteste und Beste empfinden, was es gerade in Österreich so zu hören gibt. Das ist nun mal kein Einheitsbrei.
Volksstimme: Red Bull hat in der Vergangenheit eine Bühne am Popfest gesponsert. Kritik kam dafür zuletzt etwa von der Band Шaпκa (Schapka) am popfest selbst. Geht es ohne Sponsoring wie Red Bull gar nicht?
Yasmin Hafedh: Red Bull sponsert heuer keine Bühne mehr.
Volksstimme: Der Bierfluss versiegt dank fliegender Händler am popfest nie. Das Donaukanaltreiben hat der Stadt Wien letztes Jahr jedoch den Anlass geliefert, gegen Bier-VerkäuferInnen vorzugehen. Welche Auswirkungen der Festivalisierung der Stadt auf den öffentlichen Raum seht ihr?
Yasmo: Festivalisierung im öffentlichen Raum, wie alles im öffentlichen Raum, bedeutet ihn in erster Linie mal sichtbar zu machen. Transparenz, Zusammenkommen und Ausverhandeln halte ich in allen Lebenslagen für wichtig, so auch im öffentlichen Raum. Und das macht ein Festival mitten in der Stadt. Es gibt verschiedenste Musik, verschiedenstes Publikum und wir sind nicht mehr im Biedermeier, wo alles im Hinterstübchen passiert. Und was den Bierverkauf betrifft: Man kann ja auch Rahmenbedingungen schaffen, dass es nicht zu »illegalen« Verhaltensweisen kommt. Gegen Bier-Verkäufer*innen vorzugehen ist halt Symptombekämpfung, an die Ursache wird da nicht im Geringsten gedacht. Und auch: Wenn ich auf‘s popfest geh, hat irgendwer ein Billa-Sackerl mit Bier mitgebracht, wir setzen uns auf die Wiese und warten bis die Acts beginnen. Das haben wir früher immer so gemacht.
Volksstimme: In eurer Rolle als MusikerInnen tretet ihr selber immer wieder bei Demonstrationen auf. Wann und warum ist Musik politisch?
Mira Lu Kovacs: Ich beantworte diese Frage nun schon öfter und ich muss wieder so antworten: Nichts ist unpolitisch. Vielleicht liegt es am Älterwerden und Steuern zahlen, aber das tägliche Leben ist politisch, wenn mir was an meiner Freiheit und der meiner Mitmenschen liegt, dann denke ich politisch, dann verstehe ich, dass das was in der Politik beschlossen wird, Auswirkungen hat auf mein Leben in allen Bereichen. Für mich ist alles Politische auch emotional und alles Emotionale wird in meinen Liedern zerlegt. Ergo, Musik und Kunst sind politisch. Das ist für mich ein given.
Yasmin Hafedh: Das ist wohl Perspektivsache, aber ausgehend von der Idee, dass Musik Leute zusammenbringt, ist sie immer politisch. Weil wenn mehrere Leute auf einem Haufen sind, wird es politisch. Und Musik ist wahrscheinlich immer dann absichtlich politisch, wenn man sie auch so deklariert. Nur wenn man dies nicht tut und sagt »Ich bin unpolitisch« ist man es ja gleichzeitig wieder – immer wenn man etwas sagt, sagt man auch etwas nicht.
Quelle: Volksstimme 7/2019