Er war einer der inspirierendsten Gewerkschafter Österreichs. Am 30. Juni ist der langjährige Arbeiterkammerrat und Aktivist Fritz Schiller verstorben.
Kennengelernt habe ich Fritz vor über 20 Jahren im Infoladen des besetzten Ernst-Kirchweger-Hauses (EKH). Es muss das Jahr 2000 gewesen sein. Auf Initiative von Personen aus dem Umfeld der sich formierenden Redaktion der Zeitschrift Grundrisse trafen wir uns ebendort zweiwöchentlich zu einem Lesekreis. Alle Beteiligten standen unter den Eindrücken der Proteste gegen Schwarz-Blau und jenen der sogenannten Antiglobalisierungsbewegung. Gelesen wurde – zur Zeit passend – Empire von Michael Hardt und Antonio Negri. Ein Buch, das uns aller Unterschiede zum Trotz (angefangen beim Alter bis hin zu den jeweiligen Politisierungsgeschichten) verband. In der Runde saßen Leute wie ich, damals ein Jungautonomer mit Anfang 20, genauso wie der Raiffeisen-Banker Fritz Schiller, der schon deswegen auffiel, weil er sich nach seiner Arbeit in korrekt sitzendem Anzug und Krawatte zu uns gesellte.
Was uns dennoch einte, das war die Vorstellung, dass eine andere Welt möglich ist. Was Fritz besonders machte, das war wiederum sein Spürsinn für die richtigen Fragen.
Enger habe ich mit Fritz erst Jahre später wieder zusammengearbeitet. Der Optimismus, den die Bewegungen um das Jahr 2000 ausgestrahlt hatten, war verflogen. Trotzdem lag so etwas wie der greifbare Drang nach Veränderung in der Luft. Diesmal nicht unter Schwarz-Blau, sondern unter den Vorzeichen von Rot-Schwarz. Klar war für uns: So wie es ist, darf es nicht weitergehen. Der sich beschleunigende Verfall der SPÖ unter Bundeskanzler Werner Faymann zugunsten eines autoritärer werdenden Kurses in der ÖVP waren für uns Auslöser, die Initiative »Aufbruch« zu gründen. Fritz war von Anfang an dabei. Auf die Frage »Warum aufbrechen?«, antwortete er damals: »Weil es in der österreichischen Politik an einer Kraft fehlt, die sich für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beschäftigte und Umverteilung einsetzt.« Damit war auf den Punkt gebracht, wofür sich Fritz auch in seiner Funktion als Betriebs- und Arbeiterkammerrat konsequent einsetzte. Stets war ihm wichtig zu betonen, dass er – wiewohl er in der AUGE/UG aktiv war – sicher kein grüner, sondern ein unabhängiger Gewerkschafter sei. Denn auch in den Grünen sah er Klassenpolitik – und darum ging es ihm als Marxisten – nicht aufgehoben.
So war es für ihn auch klar – wiederum einige Jahre später – 2020 bei den Wiener Gemeinderatswahlen für die neu gebildete Wahlplattform LINKS-KPÖ zu kandidieren. Ich erinnere mich noch, wie er mich bei einer Veranstaltung im Rahmen des Wahlkampfs lachend mit »Endlich Genossen!« begrüßt hat. Kurz war ich verwirrt. Fritz und parteiförmige Organisierung? Das passte nicht unbedingt zusammen. Zu stark waren wohl noch seine Erfahrungen aus der Internationalen Kommunistischen Liga, in der er einst politisch aktiv wurde. Doch das umfassende Versagen der türkis-grünen Regierung einerseits und die neuen Möglichkeiten Richtung Veränderung andererseits waren für Fritz gleichermaßen dringlich und mitreißend.
All sein Wissen und seine Erfahrungen hat Fritz Schiller »uns Jüngeren« stets ohne Dünkel oder Überheblichkeit mitgegeben. Viele, auch ich selbst, profitieren davon bis heute.
Zurück ins Jahr 2000: Als wir uns im EKH das erste Mal begegneten, hatte Fritz eine seiner ersten Chemotherapien hinter sich gebracht und gut überstanden. Die Anstrengungen waren ihm schon damals und auch in den letzten Jahren immer wieder anzumerken. Am 30. Juni, zwei Tage nach seinem 65. Geburtstag, ist Fritz Schiller nun nach langer, schwerer Krankheit verstorben.
Die Trauerfeier für Fritz Schiller findet am Mittwoch, den 20. Juli 2022 um 11:00 Uhr in der Feuerhalle Wien-Simmering (Simmeringer Haupstraße 337, 1110 Wien) statt.
Der Beitrag erschien im Blog der Zeitschrift Tagebuch / Juli 2022.