Was bleibt von Bernie?

„Lehren“ für linke Mobilisierung

Der unerwartete Wahlsieg von Donald Trump im November des letzten Jahres über die
demokratische Kandidatin Hillary Clinton, brachte dem parteiinternen Rivalen Bernie
Sanders erneut einiges an Aufmerksamkeit. Wäre er bei einem Sieg Clintons wohl schnell
in Vergessenheit geraten, richteten sich nun abermals viele Blicke auf den, Clinton schon
in den Vorwahlen unterlegenen, Senator aus Vermont. Noch Anfang des Jahres hatten
Umfragen Sanders bescheinigt, im direkten Duell gegen den Republikaner Trump bessere
Siegeschancen zu haben, als die dem Establishment zugerechnete Präsidentschaftskandi-
datin der Demokraten.
Ob dieses Ergebnis tatsächlich eingetreten wäre, Sanders als Spitzenkandidat besser ab-
geschnitten hätte als Clinton, darf bezweifelt werden und bleibt Spekulation. Trotz alle-
dem oder gerade deswegen war die Niederlage Clintons eine doppelte Niederlage für die
demokratische Parteiführung, die im Vorwahlkampf der Demokraten auf bemerkenswer-
te Weise gegen Sanders und für Clinton Partei ergriffen hatte. Sanders selbst gab sich nach
dem Wahlsieg Trumps gewohnt kämpferisch: „Ich bin dabei eine Bewegung aufzubauen,
die dieses Land transformiert und Menschen um ein Programm zusammenbringt, das der
Mittelklasse und arbeitenden Familien dient.“ Doch was blieb vom Phänomen Sanders?
»Political Revolution« – das Programm von Sanders
Anders als in Europa konnte sich in den USA nie eine relevante Arbeiterpartei entwi-
ckeln, um einen starken Sozialstaat aufzubauen. Im 20. Jahrhundert waren jedoch vie-
le Menschen unter dem Dach der Demokratischen Partei damit beschäftigt, zumindest
Bruchstücke davon durchzusetzen. Das Phänomen Sanders ist folglich in diesem Kontext
zu verstehen, denn er steht in dieser Tradition. Sanders orientiert sich dabei programma-
tisch am Modell des skandinavischen Wohlfahrtsstaates, dem er in seinem Wahlkampf die
zunehmende Ungerechtigkeit in den USA gegenüberstellt. Im Zentrum seiner Argumen-
tation stehen dafür stellvertretend zwei Figuren: der Kampf gegen Kinderarmut und das
Fehlen leistbarer Gesundheitsversorgung für viele US-BürgerInnen.
Sanders will dies durch höhere Steuern und den Ausbau öffentlicher Dienstleistungen,
also eine klassische Umverteilungspolitik von oben nach unten, erreichen. Mit diesen For-
derungen befindet er sich durchaus im Rahmen des linken Flügels der Demokraten. Auch
einige andere demokratische SenatorInnen stehen für diese Forderungen. Sein sozialde-
mokratisch inspiriertes Programm stellte Sanders im Vorwahlkampf jedoch besonders
scharf in Kontrast zur wirtschaftsfreundlichen Politik der „Neuen Demokraten“ rund um
deren Frontfrau Hillary Clinton. Die „liberale Parteielite“ würde, so Sanders, lieber auf
„das große Geld“ schielen, als sich um die Probleme und Sorgen der US-ArbeitnehmerIn-
nen zu kümmern.
Der Druck den Sanders durch seine Zuspitzung im Vorwahlkampf auf Clinton zuneh-
mend aufbauen konnte, zeigte tatsächlich auch Wirkung. Die Debatte unter den Demo-Kurswechsel 1/2017: 76-81 www.kurswechsel.atRainer Hackauf: Was bleibt von Bernie? 77
kraten wurde punktuell deutlich nach links verschoben. War Clinton zu Beginn des Wahl-
kampfs weit von der Forderung entfernt den Mindestlohn auf $15 pro Stunde und noch
dazu auf Bundesebene anzuheben, sah sie sich schließlich gezwungen diese Forderung
in ihr Wahlprogramm zu übernehmen. Andere Forderungen von Sanders, wie der starke
Ausbau des öffentlichen Sektors, wurden von ihr freilich weiterhin klar abgelehnt.
Doch wie wurde das möglich? Ein Teil ist natürlich durch die Person Bernie Sanders zu
erklären. Sanders ist ein charismatischer Politiker, der es während seiner ganzen politi-
schen Karriere verstand, durch seine pointierte Argumentation durchaus immer wieder
Aufmerksamkeit zu erregen. Er ist dabei bedacht ein Bild zu vermitteln, dass es möglich
ist, Politik zu machen, ohne sich zu verbiegen und politische Positionen über Bord zu wer-
fen. So gehörte er etwa zu den wenigen Demokraten, die gegen den Irak-Krieg gestimmt
haben, was seiner Kritik an der US-Außenpolitik und der Positionen seiner Konkurrentin
einiges an Glaubwürdigkeit verlieh.
Demokraten in Bewegung
Die Persönlichkeit des charismatischen Kandidaten kann aber natürlich nur einen Teil
seines Erfolges erklären. Der andere Teil erklärt sich durch den Erfolg verschiedener Ba-
sisbewegungen in den letzten Jahren. Während die Tea-Party auf Seiten der Republikaner
neue Räume zu erschließen vermochte, wurden die Demokraten stark von erfolgreichen
Basisbewegungen unter Druck gesetzt.
»Occupy-Wall-Street«, Proteste von LehrerInnen, die Bewegung von Fastfood-Ange-
stellten für höhere Löhne, Initiativen gegen Delogierungen und Verschuldung sowie die
Bewegung gegen rassistische Polizeigewalt sorgten in den USA für Aufsehen in den letz-
ten Jahren. Gemeinsam haben die Bewegungen, dass sie grundlegende Ungleichheiten in
den USA breit zum Thema machten und so auch der US-Linken neuen Auftrieb verliehen.
Durch das Erstarken linker Deutungsangebote wurde die neoliberale Politik der »Neuen
Demokraten«, der im wesentlich auch Barack Obama verpflichtet war, in Folge der Wirt-
schafts- und Finanzkrise deutlich geschwächt.
Diese von Bewegungen eröffneten Räume konnte in der Vergangenheit schon Politi-
ker, wie der New Yorker Bürgermeister de Blasio für sich nützen. Im Zuge der Präsident-
schaftswahlen versuchte bei den Demokraten jedoch alleine Bernie Sanders diese Stim-
men anzusprechen. Sanders konnte Kräfteverhältnisse verschieben, da er es schaffte im
Wahlkampf einer breiten Koalition „von unten“ eine Stimme zu verleihen und was noch
wichtiger ist, diese auch für seinen Wahlkampf zu mobilisieren. Er fungierte damit als
Kristallisationspunkt für diese unterschiedlichen Bewegungen „von unten“.
Von »Fight-for-15« zu »Fight-for-Bernie«
Sanders schaffte es im Vorwahlkampf auf diese Weise etwa mehr Wähler/Innen aus den
unteren Einkommensschichten zu mobilisieren, als jede/r andere KandidatIn der Demo-
kraten in den Jahrzehnten vor ihm. Um das zu erreichen zielte seine Wahlkampagne dabei
vor allem darauf ab aktive Gewerkschaftsmitglieder an der Basis als MultiplikatorInnen
anzusprechen. US-Gewerkschaften sind in den letzten Jahren zwar stark geschrumpft, ha-
ben trotzdem aber immer noch einige Millionen Mitglieder. In den letzten Jahren kam es
zudem zu einer Wiederbelebung gewerkschaftlicher Massenmobilisierung. Die Kampagne
»Fight-for-15« etwa startete 2012 und ging ursprünglich von Beschäftigten aus der Fast-www.kurswechsel.at Kurswechsel 1/2017: 76-8178 Aktuelle Debatte
food-Industrie aus. Ziel war es, eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns von $7,25
auf $15 pro Stunde und das »Recht sich zu organisieren« durchzusetzen. Diesen Forderun-
gen schlossen sich bald ArbeitnehmerInnen aus anderen Niedriglohnbereichen, wie etwa
Flughafenangestellte, Supermarktangestellte, KindergartenpädagogInnen, Pflegepersonal,
UniversitätsassistentInnen und LehrerInnen, an. Während »Organizing«-Methoden von
US-Gewerkschaften in der Vergangenheit vor allem dazu eingesetzt wurden, um durch
konfrontatives und basisorientiertes Vorgehen Druck auf einzelne ArbeitgeberInnen aus-
zuüben, änderte »Fight-for-15« diese Strategie. Druck wird auf einzelne GesetzgeberInnen
(auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene) aufgebaut, um die Anhebung von Mindest-
standards zu erreichen. Der Erfolg gibt der Kampagne durchaus Recht. Zahlreiche Bundes-
staaten haben zwischenzeitlich angekündigt den Mindestlohn auf $15 anzuheben.1
Nachdem Bernie Sanders die Forderungen nach einem Stundenlohn von $15 auf Bun-
desebene von Anfang als zentrale Forderung in seinen Wahlkampf aufgenommen hatte,
war es für ihn möglich aktive Gewerkschaftsmitglieder für sich zu gewinnen und als Mul-
tiplikatorInnen zu aktivieren. Über die Onlineplattform laborforbernie.org wurden so
gezielt Gewerkschaftsmitglieder angesprochen. Während die gewerkschaftliche Basis sich
vor allem für Sanders engagierte, gaben gleichzeitig fast alle großen Gewerkschaften und
vor allem die beiden mächtigen Gewerkschaftsdachverbände AFL-CIO und SEIU – die
maßgeblich hinter »Fight-for-15« stehen – Wahlempfehlungen für Clinton aus 2, Multip-
likatorInnen an der Basis konnte Clinton für ihren Wahlkampf jedoch kaum gewinnen.
99% gegen die Superreichen
Neben Gewerkschaftsmitgliedern schaffte es Sanders vor allem jüngere WählerInnen zu
aktivieren. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass viele AktivistInnen aus dem Umfeld der
»Occupy-Wall-Street«-Bewegung eine bis dahin betont distanzierte Haltung gegenüber
Wahlen aufgaben und den Wahlkampf von Sanders unterstützten. Sanders Attacken auf
die Superreichen und »Klasse der Milliardäre« war mit dem zentralen Slogan der 2011
gestarteten Bewegung „We are the 99%“ einerseits kompatibel, zum anderen ging aus der
Occupy!-Bewegung in den letzten Jahren eine vor allem an Universitäten stark verankerte
Kampagne gegen Studierendenkredite und die steigende Verschuldung von BürgerInnen
hervor. Sanders griff in seinem Wahlkampf die zentrale Forderung der Kampagne nach ei-
nem freien Hochschulzugang auf und kritisierte zudem die fortschreitende Verschuldung
von privaten Haushalten in Folge der Immobilienkrise scharf.
Für viele jüngere AktivistInnen war dies ein wesentlicher Grund sich in der Wahlkampa-
gne von Sanders zu engagieren. Aus dem Umfeld der Occupy!-AktivistInnen stammten in
Folge die Plattformen PeopleForBernie.com und Ready4Bernie.com über die gezielt vor
allem auch jüngere WählerInnen angesprochen werden sollten.
Das absehbare „Aus“ im Vorwahlkampf
Den Vorwahlkampf verloren hat Sanders vielen BeobachterInnen nach wegen zwei Fak-
toren. Einerseits konnte er WählerInnen aus sogenannten Minderheiten weniger gut an-
sprechen als seine Kontrahentin. Die Strategie von Sanders zielte darauf ab, spezifische
Forderungen oder „Minderheiten-Themen“ zu meiden, um diese WählerInnensegmente
anzusprechen. Stattdessen setzte seine Kampagnenstrategie ganz klar auf „universelle“
Forderungen, wie den Ausbau des Gesundheitssystems oder $15 Mindestlohn pro StundeKurswechsel 1/2017: 76-81 www.kurswechsel.atRainer Hackauf: Was bleibt von Bernie? 79
„für alle“. Sanders argumentierte damit, dass von diesen Maßnahmen vor allem ärme-
re Haushalte, darunter überproportional viele afroamerikanische oder Latino-Haushalte
profitieren würden. Diese Strategie brachte ihm durchaus auch Kritik ein. So etwa von
AktivistInnen aus dem Umfeld der »Black Lives Matter« Bewegung. Die AktivistInnen
warfen Sanders vor, Forderungen von Minderheiten bewusst aus dem Weg zu gehen, um
in erster Linie weiße WählerInnen aus der Arbeiterschaft nicht zu verschrecken und so
anzusprechen.3
Zum anderen wurde im Zuge der Vorwahlen ein tief verankertes Ungleichgewicht im
demokratischen Parteiapparat offensichtlich. Die maßgeblichen RepräsentantInnen der
Partei positionierten sich dabei in einem bis dato aus Vorwahlkämpfen nicht gekannten
Ausmaß gegen Sanders und für Clinton. Schon ein Jahr vor der Entscheidung am Partei-
tag hatte Sanders die „unsichtbaren Vorwahlen“ im Parteiapparat verloren. Zu dem Zeit-
punkt hatten sich schon mehr als die Hälfte der demokratischen SenatorInnen für Clinton
ausgesprochen, ein halbes Jahr vor dem Parteitag waren es rund 40 der 46 SenatorInnen.
Bei anderen VertreterInnen der Partei sahen die Zahlen ähnlich aus. Der Parteivorstand
der Demokraten bekämpfte Sanders im Vorwahlkampf mehr oder weniger offen als Ge-
fahr für die Partei. Selbst der linke Parteiflügel stellte sich kaum hinter Sanders.
Was bleibt von den „Sanderistas“?
Hatte der unerwartete Erfolg im Vorwahlkampf zugleich auch die Hoffnung derjenigen
geweckt, die eine klassenorientiertere Politik in der Demokratischen Partei verfolgen,
wurden diese alsbald auch wieder enttäuscht. Sichtbar wurde für viele, dass linke poli-
tische Ansätze in der Partei nur in dem Maß geduldet sind, wie SenatorInnen und Gou-
verneurInnen gewillt sind, diese zu akzeptieren. Der Vorwahlkampf hat gezeigt, dass ein
sozialdemokratisches Programm der überwiegenden Mehrheit der demokratischen Re-
präsentantInnen schlicht zu weit geht. Dies wurde nun erneut im Februar 2017 im Zuge
der Wahl des Parteivorsitzes der Demokraten sichtbar. Der als »Realo« geltende Thomas
Perez setze sich hier gegen den von Bernie Sanders favorisierten Keith Ellison durch.
Neben einer realistischeren Einschätzung von Kräfteverhältnissen in der Partei ist natür-
lich aber noch anderes geblieben. Sanders hat im Vorwahlkampf gezeigt, dass der scharfe
Angriff auf »Eliten« kombiniert mit einer sozialdemokratischen Agenda Millionen Wäh-
lerInnen, auch über die DemokratInnen hinaus, ansprechen kann – nicht nur Wähle-
rInnen aus der Linken. Sanders hat darüber hinaus bewiesen, dass es auch als erklärter
Sozialist möglich ist, in den USA Politik zu machen, ohne sich zu verbiegen und politische
Positionen über Bord zu werfen. Beides ist doch einigermaßen erstaunlich. Ob sich dies
im aktuellen Richtungsstreit der Demokraten auswirkt, bleibt offen.
Am 8. November fanden in den USA neben den Wahlen um die Präsidentschaft noch
weitere Abstimmungen statt. »Our Revolution«4 , die Spin-Off Kampagne von Bernie San-
ders, gab im Vorfeld für einige KandidatInnen Wahlempfehlungen aus. Deutlich mehr als
die Hälfte dieser KandidatInnen, immerhin 58 an der Zahl, schafften so den Einzug auf
Gemeindeebene, als Abgeordnete oder SenatorInnen. Am Tag nach der Wahl kündigte
»Our Revolution« an, weiterhin an einer »politischen Revolution« arbeiten zu wollen. Ne-
ben politischen RepräsentantInnen wurden auf lokaler Ebene auch in einigen US-Bundes-
staaten über eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns abgestimmt. In den Bundes-
staaten Arizona, Colorado, Maine und Washington wurden die Initiativen angenommen,
was für Millionen von ArbeitnehmerInnen eine Erhöhung des Einkommens bedeutet.5www.kurswechsel.at Kurswechsel 1/2017: 76-8180 Aktuelle Debatte
Die Linke in den USA und was von Bernie Sanders blieb
Sanders wurde im Wahlkampf auch von einem Spektrum weit links der Demokraten
unterstützt. Hier wurde in erster Linie die Hoffnung in Sanders gesetzt, im Vorwahl-
kampf die Kräfteverhältnisse nach Links zu rücken. Enttäuschte WählerInnen sollten
nach der Wahl Hillary Clintons zur Präsidentin für existierende Bewegungen geworben
werden. Der Vorwahlkampf sollte also dazu genutzt werden, um in Milieus vorzusto-
ßen, die ohne Sanders für die US-Linke sonst nicht erreichbar sind. Die Erfahrungen
aus dem Wahlkampf sollten auch genützt werden, linke Organisierungsangebote zu
überdenken und Räume auch für Forderungen jenseits des Ausbaus des Wohlfahrts-
staates eröffnen. Realistische Aussichten darauf, die Demokraten nachhaltig nach Links
zu rücken, wurden in den Debatten hingegen wenige Chancen auf Erfolg eingeräumt.
Diese Perspektiven dürften sich zumindest teilweise erfüllt haben, nimmt man etwa die
(nach eigener Auskunft) stark steigende Auflagenzahl des sozialistischen »Jacobin«-Ma-
gazins als Indikator.
Der Wahlsieg von Donald Trump hat viele Linke außerhalb des Parteispektrums über-
rascht. Offen bleibt, ob es gelingen wird, verstärkende Kristallisationspunkte für die in
den letzten Jahren entstandenen Bewegungen zu schaffen. Die Mobilisierungen rund um
die Angelobung Donald Trumps am 20. Jänner des Jahres waren ein erster Versuch in die
Richtung. Unter dem, am marxistischen Stadtforscher David Harvey angelehnten, Eti-
kett »Rebellische Städte« schlagen AktivistInnen vor, existierende Bewegungen stärker
zu verschränken und so ein Netzwerk von unten aufzubauen, um gegen Trump in den
nächsten Jahren Widerstand zu leisten. Strategische Allianzen mit dem linken Flügel der
Demokraten rund um Bernie Sanders sollen dazu genützt werden, um bei kommenden
Wahlen AktivistInnen aus sozialen Bewegungen zu Erfolgen zu verhelfen – Madrid unter
der Bürgermeisterin Ada Colau wird dafür mitunter als Beispiel herangezogen.
Was können wir in Europa lernen?
Interessant ist der Wahlkampf auch für die Linke in Österreich insbesondere weil Sanders
versucht hat, die nicht nur in den USA existierenden Klassenspaltungen an Hand von
Hautfarbe und Herkunft mittels allgemeiner Forderungen zu überwinden. Eine ähnliche
Strategie verfolgte etwa zuletzt die KPÖ in ihrem Wahlkampf in Graz mit dem Slogan
»Graz gehört uns allen«. In wie weit diese Strategie in den europäischen Kontext über-
tragen werden kann, um etwa auch MigrantInnen – so diese überhaupt wählen dürfen
– offensiver anzusprechen, bleibt aber offen.
Auch auf organisatorischer Ebene ist es sicher von Wert, einen genauen Blick auf den
Wahlkampf zu werfen. In ihrem Buch »Rules for Revolutionaries. How Big Organizing
Can Charge Everything«6 geben Becky Bond und Zack Exley erste Einblicke hinter die Ku-
lissen der Sanders-Kampagne, die es mit relativ wenigen Ressourcen und dadurch bezahl-
ten Angestellten schaffte, sehr viele Leute aktiv in den Wahlkampf einzubeziehen. Statt vor
allem auf Soziale Medien wie Facebook setzte man dort auf konsequent auf »Organizing«
Methoden und auf altmodische Technologie wie das Telefon. In den USA ist »Organizing«
unter Gewerkschaften weit verbreitet, um Mitglieder zu gewinnen und vor allem auch
zu aktivieren. Die konsequente Identifizierung von ehrenamtlichen MultiplikatorInnen
und Schlüsselpersonen ermöglichte es, zigtausende Freiwillige recht flächendeckend und
auf sehr niederschwellige Art in die Wahlkampagne zu involvieren. Davon kann sich dieKurswechsel 1/2017: 76-81 www.kurswechsel.atRainer Hackauf: Was bleibt von Bernie? 81
Linke auch im österreichischen Kontext und nicht nur in Hinblick auf Wahlkampagnen
inspirieren lassen. Durchaus nicht nur im Zuge von Wahlkampagnen.
Anmerkungen
1 Rainer Hackauf: Wie Aktivist_innen erfolgreich für 15 Dollar Mindestlohn kämpfen, http://mo-
saik-blog.at/fight-for-15-kampagne-us/ (z.a. 23.1.2017).
2 David Moberg: Bernie Sanders and Unions’ Relationship Status: It’s Complicated, http://inthe-
setimes.com/working/entry/18786/unions-bernie-sanders-hillary-clinton-labor1(z.a. 9.1.2016).
3 German Lopez: The Bernie Sanders and reparations controversy, http://www.vox.
com/2016/1/22/10811800/bernie-sanders-reparations-2016 (z.a. 23.1.2017).
4 ourrevolution.com (z.a. 23.1.2017).
5 Bryce Covert: Millions of workers won higher pay and paid time off last night, https://thinkpro-
gress.org/minimum-wage-paid-sick-leave-win-a3981ee9eac4#.firfllm51 (z.a. 23.1.2017).
6 Becky Bond und Zack Exley (2016): “Rules for Revolutionaries. How Big Organizing Can Chan-
ge Everything”, Chelsea Green Publishing.

Dieser Beitrag ist in Kurswechsel 01/2017 erschienen.

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