Unter dem Titel „Eine Belegschaft – Ein Kollektivvertrag! Wir lassen uns nicht spalten!“ hat die Initiative „Wir sind sozial aber nicht blöd“ auf die drohende Auslagerung der Reinigung bei der Caritas Wien hingewiesen. mosaik hat bei zwei Aktivist_innen der Initiative, Ivana* (34), Sozialarbeiterin und Peter* (45), Behindertenbetreuer, nachgefragt, was Stand der Dinge ist.
mosaik: Könnt ihr kurz erklären, worum es bei dem aktuellen Arbeitskonflikt geht? Warum passiert das jetzt und was ändert sich dadurch für die betroffenen Kolleg*innen?
Ivana: Die direkt bei der Caritas Wien angestellten Reinigungskräfte sollen schrittweise bis 2022 an das Tochterunternehmen magdas ausgelagert werden. Dadurch verdienen sie aber ca. 20-25 Prozent weniger, weil dort ein anderer Kollektivvertrag gilt.
Peter: Das ist besonders bitter, weil die sowieso schon schlecht bezahlten Reinigungskräfte damit endgültig in die Armut gedrängt werden. Und das Ganze passiert nicht erst jetzt, sondern ist ein schleichender Prozess, der schon 2018 begonnen hat. Deshalb ist das bei vielen auch unter der Wahrnehmungsgrenze geblieben ist. Erst durch die Einladung des Betriebsrats zur Betriebsversammlung letzte Woche ist das vielen Kolleg*innen klar geworden.
Wie stehen die betroffenen Kolleg_innen zu den Änderungen? Was ist Stand der Dinge bei den Änderungen?
Peter: Laut Betriebsrat ist bereits die Hälfte der Reinigungskräfte betroffen. Davon sind schon 20 Prozent zu magdas gewechselt, 25 Prozent haben eine angebotene Weiterbildung angenommen, 30 Prozent haben die Caritas ganz verlassen. Bei knapp 100 Reinigungskräften steht die Entscheidung noch aus.
Caritas Generalsekretär Klaus Schwertner versucht in seinen Kommentaren unter einem Posting von „Wir sind sozial aber nicht blöd“ zu beruhigen. Die Reinigung würde dadurch bei der Caritas in Zukunft nicht mehr von Fremdfirmen übernommen. Zudem hätte ein Großteil der Kolleg_innen nun besser Qualifikationschancen und somit Verdienstmöglichkeiten. Nur für wenige würde der Lohn sinken. Was ist da dran?
Ivana: Es spricht nichts gegen freiwillige Aus- und Weiterbildungsangebote. Dafür ist es aber nicht notwendig, Personen mit einem bestehenden Arbeitsplatz zu kündigen, damit sie sich auf dem zweiten Arbeitsmarkt neu bewerben müssen, wo eine Übernahme nicht garantiert ist. Es gibt auch keine Jobgarantie, wenn man die Ausbildung nicht schafft.
Peter: Ohne vorherige Kündigung wäre es übrigens gar nicht zulässig, bei einen Betriebsübergang weniger Lohn zu zahlen.
Am Montag letzte Woche fanden Betriebsversammlungen zum Thema Auslagerung der Reinigung statt. Wie war die Stimmung? Was ist dabei herausgekommen?
Ivana: Ich war bei der Betriebsversammlung, dort waren auch Reinigungskräfte, mit denen ich gesprochen habe. Niemand von ihnen will für weniger Geld die gleiche oder sogar mehr Arbeit machen. Die Stimmung war sehr kämpferisch. Einige der betroffenen Kolleg_innen haben auch berichtet, dass die von der Geschäftsführung angebotenen Umschulungen aus verschiedenen Gründen für sie gar nicht in Frage kommen. Wir haben einstimmig zwei Resolutionen beschlossen, die der Betriebsrat auch der Geschäftsführung übergeben hat. In der ersten fordern wir, dass Reinigungskräfte, für die eine Ausbildung nicht in Frage kommt, in der Caritas Wien beschäftigt bleiben können.
Peter: Die zweite Resolution geht noch um einiges darüber hinaus. Sie fordert, kurz gefasst: 1 Unternehmen – 1 Kollektivvertrag.
Wie verhalten sich Betriebsrat und die anderen Caritas-Kolleg*innen im aktuellen Arbeitskampf? Wie lässt sich gemeinsam mehr Druck aufbauen?
Peter: Ich war ziemlich überrascht, dass die Betriebsratsvorsitzende Gabi Wurzer letzte Woche diese Forderungen sogar ziemlich offensiv im ORF verkündet hat. Das liegt sicher auch am Druck der Basis, der kämpferischen Stimmung auf den Betriebsversammlungen und der Tatsache, dass die Basisorganisation „Wir sind sozial aber nicht blöd“ das zuvor öffentlich gemacht hat.
Ivana: Ich denke, es wäre wichtig, dass der Betriebsrat möglichst bald zu einer öffentlichen Kundgebung aufruft und die Gewerkschaft uns in diesem Arbeitskampf endlich unterstützt. Super wäre auch, wenn das gemeinsam mit den bereits aktiven Basisinitiativen passiert.
Peter: In der Caritas brodelt es schon lange. Es herrscht mitunter sogar ein Klima der Angst, weshalb selten etwas nach außen dringt und die Geschäftsführung weiter fleißig ihr soziales Image aufpolieren kann. Ich bin froh, dass dieses Eis jetzt endlich mal durchbrochen wird. Wir müssen unbedingt schauen, dass das nicht im Sommerloch untergeht.
magdas hat in der Öffentlichkeit einen sehr guten Ruf als sogenanntes Social Business, das nicht gewinnorientiert arbeiten muss. Klingt doch eigentlich nach einem sinnvollen Konzept?
Ivana: Ein Social Business kann durchaus Sinn machen, wenn es um die konkreten Bedürfnisse von Menschen geht, die derzeit in einem gewinnorientierten Unternehmen keine Beachtung finden. Zum Beispiel, wenn man noch nicht gut genug Deutsch spricht, um im gleichen Beruf wie im Herkunftsland zu arbeiten. In so einen Fall kann eine Sprachförderung in einem geschützten beruflichen Umfeld durchaus Sinn machen.
Peter: Was aber keinen Sinn macht, ist die Gründung irgendwelcher Social Businesses, um dann die ursprünglichen sozialen Ziele unauffällig zu entsorgen und durch Kollektivvertragsflucht die Unternehmensbilanz zu verbessern. Die ursprünglich positiv besetzte Marke magdas ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Social Business dazu benützt wird, um Sozialstandards zu untergraben und Verschlechterungen zu verschleiern.
Es gibt für die Caritas einen eigenen Kollektivvertrag. Bei KV-Verhandlungen wird die Caritas regelmäßig dafür kritisiert, dass es hier in Geheimverhandlungen noch schlechtere Abschlüsse als bei den Unternehmen der Sozialwirtschaft Österreich und ihrem bags-KV gibt. Die Caritas fungiert also als Lohndumperin in der Branche. Was müsste sich ändern?
Peter: Der Sozial-und Pflegebereich ist eine absolute Niedriglohnbranche. Wir liegen mehr als 17 Prozent unter den Durchschnitt. Da braucht es schon einen sehr guten Abschluss, um hier spürbar aufzuholen. Das beste Rezept gegen Unzufriedenheit mit dem Kollektivvertragsabschluss ist die Einbindung der Kolleg*innen in die Kollektivvertragsverhandlungen. Es sollte keinen Abschluss ohne eine Urabstimmung geben.
Peter: Am besten wäre ein einziger Kollektivvertrag für den gesamten Sozial- und Pflegebereich.
Ivana: Die Betriebsratsvorsitzende Gabi Wurzer ist auch Vorsitzende des Wirtschaftsbereich Glaubens- und Religionsgemeinschaften in der GPA-djp. Das ist ein sehr wichtiger Teil der Gewerkschaft. Diese Macht sollte genutzt werden, um in Zukunft gemeinsam mit Diakonie, SWÖ und Rotem Kreuz zu verhandeln. Dann gibt es auch keine Geheimverhandlungen mehr und wir könnten zusammen Streiks vorbereiten.
Die Fragen für mosaik hat Rainer Hackauf gestellt. *Die Namen der beiden Aktivist_innen wurden von der Redaktion geändert.
„Wir sind sozial aber nicht blöd“ ist eine Basisorganisation aus dem Sozial-, Pflege- und Gesundheitsbereich. Sie ist vor allem in Wien, Graz und Linz aktiv und kämpft für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne. Eine ähnliche Agenda vertritt Resilienz in Innsbruck. KNAST wiederum ist ein Zusammenschluss von Studierenden und Praktiker_innen der Sozialen Arbeit. Sie wollen die kritische Auseinandersetzung mit der Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit vorantreiben.
Der Artikel Arbeitskampf bei der Caritas: “Die Reinigungskräfte werden in die Armut gedrängt” erschien erstmals auf mosaik – Politik neu zusammensetzen.