Als Plattform »Wir haben es satt« begrüßten im September 2018 einige hundert internationale Demonstrant_innen die EU-Agrarminister_innen in Schloss Hof. Die Plattform wurde einige Wochen davor anlässlich der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von der Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung – Via Campesina initiiert. Der Tagungsort, ein pittoreskes Barockschloss bei Wien, glich einem Hochsicherheitsareal. Unmengen an Polizist_innen waren aufgeboten, um die EU-Minister_innen möglichst gut vor uns Protestierenden abzuschirmen. Bei der Zufahrt zum Tagungsort mussten sie dann doch an uns und unseren Traktoren vorbei (siehe Bild).
In den letzten Wochen haben Bauernproteste in ganz Europa für Aufsehen gesorgt. In Österreich wurde viel von rechtsextremen Unterwanderungsversuchen der Proteste in Deutschland berichtet. Die FPÖ versuchte sich in einer eigenen Kundgebung, die jedoch kaum besucht wurde. Besonders heftig waren die Proteste in Frankreich. Während die Regierung dort den Bäuer_innen einige Zugeständnisse machen musste, will der linke Bauernverband Confédération paysanne seine Proteste weiterführen. Dabei sind die Kritikpunkte die gleichen wie bei unserem Protest 2018.
Eine Agrarpolitik, die „globale Wettbewerbsfähigkeit“ ins Zentrum stellt, schwächt die europäische Bäuer_innen in ihrem Existenzkampf gegen die Macht der Agrarmultis und der exportorientierten Lebensmittelindustrie. Das hat zur Folge, dass Bäuer_innen großteils nur schlecht von ihrer Landwirtschaft leben können. Verschärft wurde das alles in den letzten zwei Jahren durch die verfehlte Politik der EU in Bezug auf die Ukraine. So wurden Zölle auf Agrarprodukte – oftmals produziert auf von europäischen Investoren aufgekauften Land (Stichwort “Landgrabbing”) – aus der Ukraine aufgehoben. Damit kamen Bäuer_innen in der EU in den letzten Jahren weiter unter Druck, um mit diesen Preisen mithalten zu können. Auch einer nachhaltigen Entwicklung in der Ukraine hilft diese Politik übrigens nichts, wird sie so doch nur in Abhängigkeit von der EU als deren Kornkammer und Rohstofflieferant gehalten.
Die direkte Folge von all dem in Österreich wie auch darüber hinaus sind Höfe- und Artensterben, immer größere Agrarfabriken, schlechte Arbeitsbedingungen, ungesunde Lebensmittel und eine Verschärfung der Klimakrise. Denn der Druck, den die Bäuer_innen verspüren, wird weitergegeben. Erntearbeiter_innen haben furchtbare Arbeitsbedingungen und miese Löhne – wie etwa die Sezonieri-Kampagne seit Jahren aufzeigt –, Bäuerinnen niedrige Pensionen und junge Leute können oft keinen Hof übernehmen.
Dazu gibt es Probleme im globalen Süden, auf die transnationale Organisationen wie Via Campesina schon lange hinweisen. Die schon erwähnte Ukraine ist dafür ein Beispiel. Die industrielle Landwirtschaft ist zudem mitverantwortlich für das Artensterben und die Klimakrise – etwa durch Pestizideinsatz, Tropenwaldrodungen für Futtermittelanbau und durch hohe Emissionen bei der Düngemittelproduktion.
Doch welche linken Wege gibt es da raus?
Landwirte sind nicht gleich Landwirte. Die österreichischen Landwirtschaftsbetriebe sind zudem vergleichsweise klein strukturiert, wenn man sie etwa mit deutschen Betrieben vergleicht. Aufgrund der Geografie gibt es hierzulande auch mehr Bäuer_innen, die sich etwa in schwierigen Berglagen befinden, wo Maschinen nur begrenzt eingesetzt werden können. Organisationen wie Via Campesina, die sich für kleine Bauern einsetzen, fordern daher die doppelte Förderung der ersten 20 ha in der ersten Agrarfördersäule. Das muss durch eine gerechte Umverteilung innerhalb der Direktzahlungen finanziert werden. So eine Förderung würde kleinen Betrieben in schwierigen Lagen zu Gute kommen, industriell geführte Großbetriebe wären hingegen die Verlierer. Die ÖVP, die mit den Interessen von Großbauern, Agrarkonzernen oder Raiffeisen verbunden ist, ist daher traditioneller Weise gegen diese Vorschläge..
Die Förderung von kleinen Betrieben könnte hingegen bessere Arbeitsbedingungen, fairere Preise und eine ökologischere Produktion ermöglichen. Zusätzlich braucht es eine neue Bodenpolitik. In Wien können wir etwa gerade sehen, wie Agrarflächen am Stadtrand zu Spekulationsobjekten werden und Preise in den Himmel schießen. Aber auch außerhalb der Städte steigen Bodenpreise stark. Grund dafür sind u.a. in die Höhe schnellende Energiepreise und der damit verbundene Bau von Photovoltaikanlagen auf fruchtbarem Boden. Auch der Versiegelung von Agrarflächen gehört ein Riegel vorgeschoben. In den letzten Jahren wurden in Österreich 12,9 Hektar pro Tag versiegelt. Österreich ist hier Europaweit die Nummer Eins. Zu guter Letzt sind natürlich nicht nur die Einkaufszentren an den Ortsrändern ein Problem, sondern auch die Supermärkte an sich. In Österreich ist die Konzentration so groß wie kaum wo sonst. Drei Konzernen dominieren den Markt und damit die Preise auch für Bäuer_innen.
Mercosur-Abkommen vor dem Fall
Schon bei unseren Protesten 2018 war das Merscosur-Abkommen als praktisches Beispiel für Dumping bei Preisen und Lebensmittelstandards ein zentraler Gegenstand unserer Kritik. Gut fünf Jahre später steht das Abkommen auf der Kippe. Und das obwohl die EU Vetos von Mitgliedsstaaten wie Österreich gegen das Abkommen durch undemokratische Tricks zu umgehen suchte. Protest zahlt sich aus!